Gesundheit im Entwicklungsdienst

Dr. Winfried Zacher ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Tropenkrankheiten, MPH. Er war bis 2009 viele Jahre lang Leiter des Ärztlichen Dienstes beim DED und damit verantwortlich für die Gesundheit aller DED-Fachkräfte und ihrer Angehörigen sowie für die Mitarbeiter*innen in den DED-Landesbüros. Er hat selbst über zehn Jahre in Afrika als Arzt gearbeitet. AGdD sprach mit ihm über gesundheitliche Aspekte des Entwicklungsdienstes.

Für den Entwicklungsdienst begeben sich Fachkräfte in ferne Länder, oft mit tropischem Klima. Welche gesundheitlichen Risiken waren in den 60er, 70er und 80er Jahren damit verbunden?

Die gesundheitlichen Risiken für Entwicklungshelfer*innen hatten zwei unterschiedliche Aspekte: Zum einen gab es da die Tropenkrankheiten, zum anderen eine oft völlig unzureichende medizinische Versorgung, die ein zusätzliches Risiko darstellte – unabhängig davon, ob jemand eine ortsspezifische Tropenkrankheit entwickelte oder an etwas erkrankte, das ihn oder sie genauso gut in Deutschland hätte treffen können.
Weil etwa 70 Prozent der Entsandten und ihrer Familien in Malariagebieten arbeiteten, war dies für uns immer ein sehr wichtiges Problem, auf das wir auch während der Vorbereitung intensiv eingingen.
Gleichzeitig war es für uns wesentlich, immer wieder auf die wichtigste „Tropenkrankheit“ bzw. Gesundheitsgefahr hinzuweisen: Das waren die Verkehrsunfälle!

Was konnten Sie Fachkräften damals mitgeben an Information und Schutzmaßnahmen?

Im Vorfeld mussten die angehenden EH ihre „Standardimpfungen“ vervollständigen. Daneben waren ergänzende Impfungen landes- bzw. risikospezifisch freiwillig oder auch Pflichtprogramm: Hepatitis A und B, Gelbfieber, Typhus, Cholera, Tollwut, ... Außerdem haben wir während der Vorbereitung in Info-Veranstaltungen auf die spezifischen Gesundheitsgefahren und deren Vermeidung hingewiesen. Fragen konnten jederzeit im individuellen Gespräch geklärt werden. Für Eltern mit Kindern wurden separate Gruppen- und Einzeltermine angeboten.

Was gehört(e) zur Standardausrüstung der Fachkräfte?

Wir haben Anfang der 80er einen eigenen „Ärztlichen Ratgeber für den Aufenthalt in den Tropen“ entwickelt, den jede/r zusammen mit der umfangreichen Reiseapotheke erhielt. Weil es oft vor Ort nicht leicht war, die wichtigsten Medikamente zu bekommen, wurde die regelmäßige Wiederauffüllung dieser Apotheken – insbesondere mit medikamentöser Malariaprophylaxe – durch die Landesbüros sichergestellt.

Die medizinische Versorgung hat sich vielerorts verbessert. Wie sieht es heute mit den Risiken aus?

Die Gesundheitsrisiken sind wegen der verbesserten Versorgung erheblich zurückgegangen. Und je stärker die Arbeit der Fachkräfte aus ländlichen Gebieten in städtische verlegt wurde, desto besser wurde auch die medizinische Versorgung. Das ändert aber nichts daran, dass es nach wie vor – vor allem auf dem Land und vor allem in afrikanischen Low Income Countries – Gegenden mit sehr unzureichender Versorgung gibt. Die fast ubiquitäre Abdeckung mit Handynetzen ermöglicht heute aber meistens Kommunikation – und damit auch Hilfestellung.

Als medizinischer Dienst sind Sie in der Vor- und Nachsorge tätig. Inwiefern stehen Sie den Fachkräften auch während des Einsatzes zur Verfügung, quasi als „Beratung aus der Ferne“?

Bei akuten schweren Erkrankungen oder Unfällen sollten die EH in der Vergangenheit ihr Landesbüro informieren, das dann sofort telefonischen Kontakt mit dem Ärztlichen Dienst aufgenommen hat.
Die Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten – Telefon und E-mails – seit den 80er Jahren hat auch die medizinische Versorgung deutlich verbessert, weil dadurch endlich auch eine direkte Patientenberatung möglich – und intensiv genutzt wurde.
Ein zentraler Aspekt der medizinischen Versorgung war, dass bei akuten schweren Erkrankungen oder Unfällen der Ärztliche Dienst jederzeit die Rückführung nach Deutschland veranlassen konnte. In den 90er Jahren wurden – bei fast 2000 Versicherten
- pro Jahr etwa 50 Rückführungen mit Linienflugzeugen durchgeführt; daneben wurden im Jahresdurchschnitt etwa fünf Sonderflüge für Rückholungsaktionen gechartert, um bei akut lebensbedrohlichen Erkrankungen eine optimale Versorgung zu gewährleisten.

Eine Voraussetzung für den Entwicklungsdienst ist die Tropentauglichkeit. Was genau ist darunter zu verstehen? Und kommt es oft vor, dass jemand diese Voraussetzung nicht erfüllt?

Mit der „Tropentauglichkeitsuntersuchung“ soll sichergestellt werden, dass ein Arbeitnehmer ohne zusätzliches Gesundheitsrisiko in der Lage ist, „Tätigkeiten in Tropen, Subtropen und sonstige Auslandsaufenthalte mit besonderen klimatischen Belastungen und Infektionsgefährdungen“ durchzuführen.
Es gibt also keine klare und unzweideutige Definition.
Als Arzt muss man vielmehr auf Grund der Untersuchungsergebnisse einerseits sowie der zu erwartenden Belastung und Gefährdung andererseits entscheiden, ob man die „Tropentauglichkeit“ bescheinigen kann oder nicht. Und das hängt natürlich auch sehr davon ab, ob jemand im klimatisierten Büro in Rio de Janeiro arbeiten wird oder im ländlichen Niger, wo es in der Regenzeit möglicherweise tagelang keine Transportmöglichkeit oder sogar kein Telefon gibt. Eine umfangreiche Kenntnis verschiedener Länder einschließlich der Gesundheitsgefahren und der medizinischen Versorgungsmöglichkeiten ist deswegen Voraussetzung für eine kompetente und angemessene Beurteilung der Tropentauglichkeit.
Abhängig von bestehenden Vorerkrankungen und der anvisierten Tätigkeit kommt es deswegen immer wieder vor, dass Bewerber*innen aus Gesundheitsgründen abgelehnt werden müssen.

Das Interview ist erschienen in "50 Jahre Entwicklungshelfer-Gesetz" (2019)