Interview: Mit dem Weltfriedensdienst in Guinea

„Für mich war und ist die Arbeit in Westafrika sehr bestimmend"

Arndt Brodkorb

Arndt Brodkorb ist Landschaftsökologe und Experte für nachhaltige ländliche Entwicklung und hat von 2012 bis 2014 für den Weltfriedensdienst in Guinea gearbeitet. In Bergregionen der Präfektur Mali gab es Probleme, die Bevölkerung ausreichend und mit wertigen Nahrungsmitteln zu versorgen, was zur Mangelernährung vor allem bei vielen Kindern führte. Außerdem waren landwirtschaftlich wertvolle Flächen durch unkontrollierte Beweidung und Waldgebiete durch Übernutzung akut bedroht. In einem Projekt zur Ernährungssicherung und zum Waldschutz war der langjährig erfahrene Entwicklungsexperte als Ko-Koordinator und Fachberater tätig.

Arndt Brodkorb lebt heute unter anderem in München und bei Montpellier und arbeitet als Leiter des Westafrikaprogramms für missio München.

Herr Brodkorb, Sie haben sich bereits während Ihres Studiums intensiv mit Afrikanologie beschäftigt und waren später unter anderem als Fachkraft für den Weltfriedensdienst lange Jahre in Guinea. Wo liegen die Ursprünge ihres Interesses für Afrika? Und welche Rolle spielte für Sie zivilgesellschaftliches oder soziales Engagement?

Ich bin ein Kind der achtziger Jahre. Ich war Schüler eines eher linken Gymnasiums und habe dort schon an Dritte-Welt-AGs und ähnlichen sozialen Projekten teilgenommen. Ich habe mich auch in der Jugendarbeit der evangelischen Diakonie engagiert. Dort hatten wir häufiger mit Jugendlichen aus afrikanischen Ländern zu tun. Es gab da einen guten zwischenmenschlichen Austausch und das fand ich sehr bereichernd. Dabei ging es für mich zunächst weniger abstrakt um Dritte-Welt- und Gerechtigkeitsfragen, sondern vielmehr um die Freundschaft zu Menschen aus einer anderen Kultur, die Wahrnehmung des „Anderen“ und einer allgemeinen Neugier auf für mich „exotische“ Lebenswelten.

Ich habe mich aber auch als junger Mensch schon sozial engagiert. So habe ich im Zuge meiner Arbeit für den Arbeitersamariterbund unter anderem auch längere Zeit eine Frau gepflegt und betreut, die unter multipler Sklerose im fortgeschrittenen Stadium litt. Das entsprang einem grundsätzlichen sozialen Bewusstsein, was ich schon aus dem Elternhaus mitbrachte. Auch habe ich lange on Studienzeiten als Nachtwache in einem Behindertenheim gearbeitet.

Guinea: Arndt Brodkorb und ein Mitarbeiter des WFD-Projektes übergeben einem gebehinderten Jungen moderne leichte Alu-Gehilfen. ©A. Brodkorb

Hat Ihre langjährige Arbeit in Afrika Ihr soziales Engagement beeinflusst?  

Mein soziales Engagement hat sich durch meine Zeit in Afrika nachhaltig verändert. Es richtet sich heute stärker individuell auf Personen, die ich direkt unterstütze. Wenn man vor Ort in den Dörfern und Städten praktisch arbeitet, lernt man Menschen näher kennen, schließt Bekanntschaften und auch Freundschaften. Ich habe dabei im Kontakt mit „dem“ oder „der“ anderen eine klare Zuweisung für die Gefühle gewonnen, die das Engagement leiten.

Und ich habe zusammen mit meiner Frau persönlichere und direktere Hebel für unser Engagement gefunden, so dass wir heute beispielsweise uns gut bekannte Familien finanziell unterstützen oder auch kleinere Einrichtungen, deren Mitarbeiter ich kenne, mit nötigem Material für ihre Arbeit versorge. Dann sehen wir konkret, was von der Hilfe de facto ankommt.

Mein früheres Engagement in der christlichen Gemeindearbeit oder beim Arbeiter-Samariterbund entsprang dagegen einem grundsätzlichen sozialen Bewusstsein. Dennoch unterstütze auch weiterhin zivilgesellschaftlich relevante Organisationen wie den Weltfriedensdienst oder FIAN Deutschland.

Sind Sie nach Europa zurückgekehrt, als Ihr Entwicklungsdienst in Guinea beendet war? Und sind Sie Afrika weiterhin verbunden geblieben?

Derzeit bin ich in München mit Erstwohnsitz gemeldet, da ich für missio München eine Elternzeitvertretung übernommen habe. Aber ich bin eigentlich kein richtiger Rückkehrer in dem Sinne, dass ich nach einem zweieinhalbjährigen Auslandsaufenthalt dauerhaft nach Deutschland/Europa heimkehren wollte.

Ich bin damals nach dem Dienst für den Weltfriedensdienst zunächst mit meiner Frau an den Genfer See gezogen, da ich in der Schweiz rasch einen Anschlussjob fand. Aber ich bin bis heute – privat wie beruflich – sehr viel und auch längere Zeit in Afrika unterwegs. Ich habe noch ein Haus in Ségou (Mali), habe in ein ökotouristisches Konzept in der Casamance investiert und mittlerweile auch einen Residenzstatus im Senegal.

Wie schauen Sie heute – mit einiger zeitlicher Distanz – auf Ihre Arbeit für den Weltfriedensdienst zurück? Was hat besonders Eindruck hinterlassen?
Für mich war und ist die Arbeit in Westafrika sehr bestimmend, sie prägt mich persönlich wie beruflich und ist Teil meines Lebens. Als ich 2014 zurückkam, habe ich eine Pause gebraucht, um einmal durchzuatmen und an meine Gesundheit zu denken. Es ging nicht um eine grundsätzliche Pause von Afrika, sondern von der mehrjährigen praktischen Arbeit im Gelände. Die kann sehr anstrengend und erschöpfend sein.

Aber diese Arbeit gibt eben auch unglaublich viel: an Erfahrung, an Sinnhaftigkeit, an Erfüllung. Man lernt zum Beispiel auch, dass die Sicherheit, die wir aus Europa kennen – vielleicht besser: vor Corona und den aktuellen Krisen kannten – ein großer, aber auch sehr gefährdeter Wert ist. In der Entwicklungsarbeit stellt man oft fest, wie fragil vieles sein kann – Lebensumstände, Sicherheit, Gesundheit oder gewonnener Wohlstand im Allgemeinen. Und das erfüllt auch mit Demut, mit Respekt und Bewunderung vor dem, was afrikanische Gesellschaften tagtäglich in ihren teilweise hochgradig vulnerablen Lebenswirklichkeiten leisten müssen.

Das klingt nach einer sehr positiven persönlichen Bilanz. Würden Sie denn jungen Menschen empfehlen, sich einmal im Entwicklungsdienst oder Zivilen Friedensdienst zu engagieren?
Ich kann jedem, der Interesse, ein interkulturelles Gespür und Empathie aufweist, nur empfehlen, einmal in die Entwicklungszusammenarbeit reinzuschnuppern und dort auch eine Zeit lang zu bestehen. Ich selbst habe diese Entscheidung nie bereut. Der Dienst hat es mir ermöglicht, meiner Neugierde auf das Fremde, auf das Andere nachzugehen und dabei einen bescheidenen Beitrag zum Gemeinwohl, zu etwas mehr Gerechtigkeit und zu einem friedvolleren Miteinanderleben zu leisten, auch interessante Bekanntschaften zu machen und Freunde fürs Leben zu finden.

Das Interview entstand im Rahmen der AGdD Verbleibstudie 2022 für die Publikation "Die Welt im Gepäck. Zurückgekehrte Fachkräfte aus dem Entwicklungsdienst der Jahre 2011-2022". Das Gespräch führte Dieter Kroppenberg. 
 

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