Paul e.V. – Partnerschaft unterstützt Lebenslinien

Gertrud und Almuth Schauber in Ghana 2001

"Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“

Dieses afrikanische Sprichwort hat sich der kleine Verein Paul e.V. zu eigen gemacht – und viel erreicht. Die Initiatorin Gertrud Schauber hat dafür 2017 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekommen. Im Jahr 2000 reiste sie das zweite Mal nach Ghana, um dort ihre Tochter Almuth zu besuchen. Die Politologin Almuth Schauber war damals als Beraterin einheimischer Organisationen im Norden Ghanas für den DED tätig. Wie schon vier Jahre zuvor beeindruckten Gertrud Schauber die Gegensätze, die Armut, die sozialen Probleme von Randgruppen und die Initiativen von Menschen, die sich für Bildung, Gerechtigkeit oder die Stärkung von Frauen- und Menschenrechten einsetzten. Sie wollte sich einbringen, informieren und unterstützen. Noch im gleichen Jahr gründete sie Paul e.V. – Partnerschaft unterstützt Lebenslinien. Bis heute bestehen die damals entstandenen Projektpartnerschaften mit drei Organisationen in Ghana. Die Verbindungen sind gewachsen, auch auf persönlicher Ebene. Davon haben viele profitiert, allen voran Menschen aus drei Zielgruppen: Straßenkinder in der Drei-Millionen Stadt Accra, Witwen und ihre Familien sowie tausende Menschen im bildungsarmen Norden des Landes. Auch in der kleinen Gemeinde Kreuzwertheim haben viele dazugelernt. Paul e.V. ist es gelungen, einen jährlichen „Ghana-Tag“ als feste Institution zu etablieren. Viele sind dabei – Schulkinder, Bürgermeister, Kirchen, Chöre und Musiker*innen, Spender*innen, ... – alle ehrenamtlich. Die Einnahmen gehen direkt an die Projektpartner. Gabi Waibel hat für transfer mit Gertrud Schauber über ihr großes Engagement gesprochen.

Letztes Jahr hat Paul e.V. sein 20. Jubiläum gefeiert. Was konnten Sie in all den Jahren in Ghana bewirken?

Wir arbeiten mit drei Partnerorganisationen zusammen – zwei im Norden Ghanas und eine in der Hauptstadt Accra. In Bolgatana in Nordghana unterstützen wir das Widows and Orphans Movement WOMGHana. In dieser sehr armen Region werden Witwen oft von den Familien ihres toten Mannes enteignet und praktisch entrechtet. Ihnen bleiben kaum Möglichkeiten, ihr Leben und das ihrer Kinder eigenständig zu gestalten. Sie werden oft entwürdigenden Ritualen unterzogen oder auch körperlich und seelisch misshandelt. Die Gründerin von WOMGhana, Betty Ayagiba, erlebte selbst als Krankenschwester, dass Witwen nicht medizinisch versorgt wurden, weil niemand aus der Familie dafür bezahlen wollte. Dabei garantieren Ghanas Gesetze den Witwen ein Recht auf ein eigenständiges Leben. Aber Accra ist 1000 Kilometer weit weg und im Norden gelten oft Traditionen mehr als staatliche Gesetze. Da tut Aufklärung not. WOMGhana informiert Frauen über ihre Rechte und sorgt dafür, dass Frauen und Mädchen Bildungschancen bekommen. Das fängt mit dem Bau von Brunnen in den Dörfern an. Die Mädchen sind nicht mehr stundenlang unterwegs, um Wasser zu holen, und können stattdessen zur Schule gehen. WOMGhana bietet auch Kurse zur Berufsausbildung an und Starthilfe für Frauen, die sich selbständig machen. Bei WOMGhana sind heute etwa 7000 Witwen registriert, für deren Rechte die Organisation eintritt.

Dann fördern wir seit vielen Jahren – ebenfalls in Nordghana – FISTRAD, ein Gemeinde-, Schulungs- und Aufklärungszentrum. Der Pädagoge Richard Alandu und sein Team ermöglichen hier vielen jungen Menschen eine Ausbildung. FISTRAD kümmert sich sehr um soziale und gesundheitliche Aufklärung und betreibt dazu eine Radiostation. Allerdings ist die Stromversorgung dort alles andere als zuverlässig. Und so haben wir von Paul e.V. dafür gesorgt, dass eine Solaranlage angeschafft und installiert wurde. Nun kann das Radio den ganzen Tag sein Programm ausstrahlen und erreicht in dem dünn besiedelten Gebiet eine Million Zuhörer. Die Menschen fühlen sich plötzlich verbunden mit der Jetzt-Zeit. Sie rufen beim Sender an, beteiligen sich, stellen Fragen – es findet ein reger Austausch statt. Eine wunderbare Resonanz. Der Sender nennt sich übrigens „Voice of the Voiceless“.

Als drittes Projekt unterstützen wir das Straßenkinderprojekt Catholic Action for Streetchildren, CAS in Accra - unsere älteste Partnerschaft. CAS bietet vielen der etwa 50.000 Straßenkinder in der Hauptstadt eine Anlaufstelle und animiert sie, eine Schule zu besuchen. CAS bietet auch Rückzugsorte sowie eine medizinische Grundversorgung und Aufklärung. Mit diesen drei Organisationen sind wir sind wir im Austausch und wir fördern sie finanziell – Paul e.V. hat mit seinen vielen Unterstützer*innen in den vergangenen 20 Jahren insgesamt 500.000 Euro für deren Projekte zur Verfügung stellen können.

Wie haben Sie es geschafft, so viele Unterstützer*innen zu gewinnen?

Mein Mann Paul und ich haben – über einige berufliche Stationen und ehrenamtliche Tätigkeiten hinweg – im Laufe der Jahre ein großes persönliches Netzwerk aufgebaut und dieses auch immer gepflegt. So habe ich beispielsweise regelmäßig in einem Weihnachtsbrief meinem großen Bekanntenkreis unsere Aktivitäten und Erlebnisse in Ghana geschildert. Nach dem Tod meines Mannes leitete ich hier in Kreuzwertheim den ökumenischen Seniorenkreis, und diese Gruppe wurde 2000 zum Gründungskern von Paul e.V. Das war ein guter Start mit vielen Kontakten in unsere Gemeinde hinein. Dann haben wir fleißig kommuniziert und das Netzwerk ausgebaut, beispielsweise durch Vorträge über Ghana. Einmal jährlich veranstalten wir hier unseren Ghana-Tag, der zuletzt leider wegen Corona ausfallen musste. Dazu gehören ein Bazar mit Produkten aus Ghana, ein Kulturprogramm mit viel Musik, ein großes Buffet – wir haben es schon einmal auf 100 Kuchenspenden gebracht – und vieles mehr. Der Erlös der Veranstaltung kommt natürlich den Projekten zugute. Ich werde auch in Schulen eingeladen, um über das Leben von Kindern in Ghana zu berichten. Und da sind wunderbare Partnerschaften entstanden, zum Beispiel mit der Grundschule in Kreuzwertheim, wo wir die Aktion „Ein Euro für eine Schultafel“ ins Leben gerufen haben. Ich habe den Kindern dort Fotos gezeigt und von Schüler*innen in Ghana erzählt, die Schultafeln aus alten LKW-Reifen benutzen. Auf einer Seite ist das ABC aufgedruckt, auf die andere kann man mit Kreide schreiben. Die Kinder konnten einen Euro ihres Taschengeldes spenden, um so eine Schultafel für ein ghanaisches Schulkind zu finanzieren. Dann haben die Kinder eine kleine Aufführung einstudiert und auf unserem Ghana-Tag präsentiert. Dabei haben sie das von ihnen gespendete Geld übergeben. Da waren wiederum Freunde, Eltern und Großeltern im Publikum, die das toll fanden – und so wächst das Unterstützer-Netzwerk kontinuierlich.

Es war Ihnen immer wichtig, ein Stück von Ghana nach Kreuzwertheim zu bringen. Wie sind Sie vorgegangen, was ist besonders gut gelungen?

2017 erhielt Gertrud Schauber (li.) für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz. Mit auf dem Bild: Tochter Almuth (mi.) und Schwester Magda (re.).

Ich habe immer für Verständnis für andere Realitäten und Lebensweisen sorgen wollen. Viele haben ja zuerst Angst vor Fremdem, vor Neuem, vor anderen Kulturen – und da wollte ich immer eine kleine Brücke sein. Ich wollte deutlich machen, dass dies in Ghana ganz liebenswerte Menschen sind, wenn uns auch vieles fremd ist. Es erfordert Behutsamkeit, Geduld und Beharrlichkeit, um Vorurteile abzubauen. So haben wir klein angefangen, zum Beispiel einmal afrikanische Musik im Gottesdienst gespielt. Und wir haben afrikanisches Essen bei den Ghana-Tagen angeboten. Das durfte anfangs nicht zu exotisch sein, sonst wollte niemand davon probieren. Mit der Zeit haben sich dann drei Gerichte herauskristallisiert, die hier wirklich gut ankommen und inzwischen geradezu für Begeisterung sorgen: afrikanisches Hühnercurry, ein Erdnusstopf mit Schweinefleisch und Red Red, ein vegetarisches Bohnengericht mit afrikanischen Gewürzen. So wachsen Neugier und Offenheit und schließlich Verständnis für Anderes. Dank Internettechnik ließ sich bei unserem 2019er Ghana-Tag erstmals auch eine Live-Video-Schalte nach Ghana realisieren. Meine Tochter Almuth hat gedolmetscht. Und so konnte Richard Alandu von FISTRAD direkt zu unseren Besucher*innen in Kreuzwertheim sprechen und erzählen, dass inzwischen einige Tausend Jugendliche mit Unterstützung von Paul e.V. einen Berufsabschluss erlangen konnten. Richard Alandu hat mich übrigens an diesem Tag ganz besonders bewegt. Als er mich auf dem Bildschirm erkannte, nannte er mich spontan „Mum“. Zuerst war ich irritiert, dann habe ich mich sehr gefreut, weil es zeigt, welch enge emotionale Beziehung wir inzwischen über unser Projekt haben. Und das beglückt mich sehr.

Der Verein ist untrennbar mit Ihnen und Ihrer Familie verbunden und bedeutet Ihnen viel. Welche Gedanken machen Sie sich über die Zukunft von Paul e.V.?

Ich habe den Vorsitz kürzlich abgegeben. Wir haben ein sehr gutes neues jüngeres Team gefunden, das unsere Arbeit fortführt. Darüber bin ich sehr glücklich. Und auch unsere Partnerorganisationen stehen auf stabilen Füßen. Teilweise haben inzwischen auch hier Nachfolger*innen der Gründer*innen die Verantwortung übernommen und wir haben großes Glück, dass wir – jetzt auch in der zweiten Generation – gute und zuverlässige Partner in Ghana haben. Das ist so wichtig und das macht mich zuversichtlich, dass das Ganze gut weitergeht – nachhaltig und kontinuierlich.

Almuth Schauber Politologin 2000 - 2002: Ghana, DED 2004 - 2006: Burkina Faso, DED Heute arbeitet sie bei Misereor als Fachreferentin für städtische Entwicklung in Südostasien.

Weiterführende Informationen zu den Partnerorganisationen WOMGHana, FISTRAD und CAS unter: www.paul-ev.com

Der Artikel erschien in Facetten der Rückkehr- transfer 02/2021