Leidenschaft für Schmuck und Perlen aus Afrika mitgebracht

Inga Nagel

Warum sollte ich denn an dieser Stelle ausgerechnet über meine Schmuckproduktion schreiben? Was hat denn mein Einfrau-Unternehmen FARAFINA mit meiner Vergangenheit als Entwicklungshelferin zu tun? Aber es stimmt schon, ich wäre wohl nie auf die Idee gekommen, heute Ketten, Armbänder und Ohrringe herzustellen, hätte ich nicht ... Doch der Reihe nach. 1976 ging ich mit dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) nach Burkina Faso, das damals noch Obervolta hieß. Es schlossen sich viele Stationen an – in anderen afrikanischen Ländern und in unterschiedliche Funktionen, bis sich der Kreis 2010 wieder in Burkina Faso schloss. Es folgten noch mehrere Jahre in Haiti, bevor ich mich pünktlich zum Renteneintritt in Deutschland niederließ. An Ruhestand war indes nicht zu denken. Ich führte Consulting-Aufträge im Ausland und Workshops an deutschen Schulen durch, um meine Eine-Welt-Erfahrung einzubringen. Doch das harte Consulting-Geschäft überließ ich bald Jüngeren und auch die Arbeit an Schulen fand ich zu anstrengend. Aber da waren ja noch all meine Perlen aus Westafrika, die darauf warteten, dass ihnen neues Leben eingehaucht wurde! Von Anfang an hatte es mir in Afrika der traditionelle Schmuck der Menschen besonders angetan. Während all der Jahre dort hatte ich Märkte durchstöbert und die mystische Welt der Perlen entdeckt. Ich hatte mit Händlern inmitten ihrer Schätze Tee getrunken und ihren Geschichten über deren Herstellung, Herkunft und Bedeutung gelauscht. Es faszinierte mich, dass viele Perlen aus Glashütten in Böhmen und Venetien stammten. Bereits im 18. Jahrhundert dienten sie den Europäern zum Tausch gegen die begehrten Güter der damaligen Goldküste. Mit der Zeit wanderten die bunten Glasperlen quer durch den Kontinent, wurden mit traditionellen Amuletten, Gold-, Bronze- und Tonperlen kombiniert und in lokale Kulturen integriert. Sie schmückten Könige und Priesterinnen, wurden für religiöse Rituale verwandt und waren oft wertvollster Besitz einfacher Bäuerinnen.

Zwischen Tradition und Moderne

Ich begann, alte Perlen zu sammeln und entdeckte, wie neue heute hergestellt werden. Hier verbindet sich Tradition mit Moderne. So arbeitet die Kaste der Schmiede in Westafrika nach wie vor mit uralten Methoden, abgesehen davon, dass heute kaputte Wasserhähne und Kupferkabelreste zu Messing- und Bronzeanhängern eingeschmolzen werden. In Ghana floriert ein Handwerk, das sich auf die Herstellung von Perlen aus alten Flaschen und zerbrochenen Fensterscheiben spezialisiert hat. Diese bunten Recyclingglasperlen treffen den Zeitgeist und werden nun in alle Welt exportiert. Handwerker in Togo schnitzen Perlen aus Holz oder Kokosnussschalen und in Burkina Faso werden Schmuckperlen aus Ton geformt und bemalt, wie sie früher für Spindeln zum Spinnen von Baumwolle gebraucht wurden. So hat jede einzelne Perle ihre Geschichte, die weit in die Vergangenheit reicht oder unsere Gegenwart widerspiegelt.

Schmuckwerkstatt und Online-Shop

Lag es also nicht auf der Hand, in Deutschland meine Perlenleidenschaft weiterzuleben? Ich hatte mich schon lange in der Herstellung außergewöhnlicher Schmuckstücke für mich selbst oder Freundinnen geübt, neben der Materialkunde gehört auch viel handwerkliches Know-how dazu. Letztendlich beschloss ich durchzustarten und als „Senior Entrepreneure“ eine eigene Marke zu gründen, die ich FARAFINA nannte. So heißt Schwarzafrika in Bambara, der populärsten Verkehrssprache im Herzen Westafrikas. In meiner kleinen Werkstatt erfinde ich, tüftele und kreiere ich nun Ketten, Armbänder und Ohrringe aus afrikanischen Perlen und anderen besonderen Materialien.

Seit diesem Jahr bin ich mit einer Webpage und einem Shop www.etsy.com/de/shop/FarafinaPerlen online. Auch auf mehreren Social Media Kanälen bin ich aktiv. Dort stelle ich meine Schmuckstücke vor und schreibe über Herkunft und Machart der Perlen, um auf ihren Wert und ihre kulturelle Bedeutung hinzuweisen. So kann ich meine Kreativität ausleben und meine Erfahrungen aus Afrika weitergeben.

Inga Nagel war von 1976 bis 1979 in Burkina Faso, von 1985 bis 1988 in Kamerun, 1990 in Kamerun/Tschad, 1991 in Burkina Faso, von 1993 bis 1998 in Benin, von 2002 bis 2005 im Sudan, von 2005 bis 2010 in Burkina Faso und von 2013 bis 2017 in Haiti (erschienen in transfer Ausgabe 2/2020)