Ausbildungsbegleiter für Geflüchtete

Hartmut Stichel

In der transfer 2/17 habe ich bereits über meine Auslandseinsätze als ehrenamtlicher Seniorexperte des Senior Experten Service (SES) geschrieben. Ob Engagement in der beruflichen Bildung oder Unterstützung bei der Lösung technischer Probleme, für mich war es immer eine spannende Herausforderung, meine Berufs- und ­Lebenserfahrungen unter nicht ­immer einfachen Rahmenbedingen sinnvoll einzubringen.

Neben diesen Auslandseinsätzen bietet der SES seit einigen Jahren Senioren auch die Möglichkeit, sich innerhalb Deutschlands im Bereich der beruflichen Bildung ehrenamtlich zu engagieren. Auslöser war die Tatsache, dass etwa 25 Prozent aller Ausbildungsverträge aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig aufgelöst werden, oft schon im ersten Ausbildungsjahr. Darüber hinaus hat das Bestreben, geflüchteten jungen Menschen eine formale berufliche Ausbildung zu ermöglichen, den SES veranlasst, in Absprache mit den Kammern des Handwerks und der Industrie ein Mentoren-Programm mit dem Namen VerA – Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen – anzubieten.

VerA-Begleitungen sind für Auszubildende, Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen kostenfrei. Partner des SES bei VerA sind der Bundesverband der Freien Berufe (BFB), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Gefördert wird VerA vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Mentor für Geflüchtete azubis

Diese Initiative funktioniert quasi als Tandem, bei dem die Berufsausbildung durch regelmäßige Treffen mit einer Expertin oder einem Experten des SES unterstützt wird. Seit der Gründung im Jahre 2008 haben inzwischen weit mehr als 16.000 Begleitungen mit einer Erfolgsquote von 75 Prozent stattgefunden.

Seit fünf Jahren engagiere auch ich mich als Mentor in diesem Programm, wobei mir neben dem Fachwissen auch meine interkulturellen Erfahrungen aus vielen EZ- und SES-Einsätzen insbesondere bei der Betreuung Geflüchteter sehr hilfreich sind.

Registriert habe ich mich seiner Zeit über die VerA-Website. In einem Einführungsseminar bereitete ich mich für die Ausbildungsbegleitung vor. Schon bald darauf erhielt ich die ersten Vorschläge zur Betreuung von Geflüchteten, welche an der berufsbildenden Schule für Metalltechnik (BfM) in Bremen eine Ausbildung zum Metalltechniker absolvierten.

Die BfM ermöglicht mit besonderen pädagogischen Konzepten insbesondere Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten – bei Geflüchteten sind diese oft bedingt durch mangelnde Sprachkenntnisse oder fehlende Schulabschlüsse – eine qualifizierte Ausbildung. Dabei stellt die Begleitung durch SES-Seniorexperten eine gute Ergänzung dar.

Wertschätzung und Ermutigung

Seit ich mich in diesem Programm engagiere, stelle ich immer wieder fest, dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht nur mit fachlichen und sprachlichen Anforderungen zu kämpfen haben. Sie werden ebenso durch die kulturellen Eigenheiten hier in Deutschland und das Ringen um Akzeptanz immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Hinzu kommt oft auch starker Druck durch materielle Erwartungen der Familien in der Heimat. Das erschwert den Azubis extrem die Konzentration auf die Lernziele, die mit hohen Anforderungen verbunden sind. Das kann sowohl bei den Azubis, als auch bei den Mentoren leicht zu Frustration und Resignation führen, aber in der Regel empfinden die jungen Menschen unser Engagement als Wertschätzung und Ermutigung, die Ausbildung konsequent weiter zu führen.

Und wenn das am Ende mit einem erfolgreichen Abschluss belohnt wird, dann ist es auch für mich immer wieder eine Bestätigung dafür, wie wichtig es ist, durch soziales Engagement die eigene Berufs- und Lebenserfahrung an junge Menschen weiter zu geben. Gerade auch jetzt, wo wir unter den aktuellen Corona-Hygienebedingungen nur noch über elektronische Medien wie Whatsapp, Skype usw. oder mit Abstand und Maske kommunizieren können. Aber auch das wird irgendwann sicher ein Ende haben und so lange muss man sich mit dem arrangieren, was möglich ist, und das Beste daraus machen.

Hartmut Stichel engagiert sich als ­Mentor für junge ­geflüchtete ­Auszubildende.

Informationen zur  Initiative VerA: vera@ses-bonn.de, vera.ses-bonn.de 

Hartmut Stichel war von 1973 bis 1975 in Tansania, von 1979 bis 1981 in Peru, von 1998 bis 2000 in Tansania, von 2006 bis 2008 in Äthiopien und von 2009 bis 2013 in Ruanda (Artikel erschienen in transfer Ausgabe 2/2021)