Hospicing Modernity

Ein System zum Sterben begleiten. Hospizpflege leisten für das, was enden muss. Was für ein Gedanke! Revolutionär und selbstverständlich zugleich. Wir sind so sehr daran gewöhnt, Strukturen reparieren zu wollen, dass wir vergessen: Manche sind so entworfen, dass sie nicht heilen, sondern ein Ende finden dürfen. Mit diesem Buch habe ich gelernt, dass das Begleiten des Sterbens von gewaltvollen Systemen das Natürlichste ist, wenn wir das Leben ernst nehmen.

Ein System beim Sterben begleiten

Oliveira lädt nicht dazu ein, die moderne Weltordnung zu reparieren, sondern sie zu begleiten, wenn sie zerbricht. Das Bild der Sterbebegleitung verdeutlicht: Manche Systeme sind nicht reformierbar. Dieses Buch ist unbequem, weil es nicht einfache Lösungen verspricht, sondern dazu auffordert, Widersprüche, Unsicherheit und das Ende von Gewissheiten auszuhalten. Das Buch fragt: Wie handeln wir, wenn wir anerkennen, dass Systeme „so funktionieren, wie sie designt wurden“ – und eben viele ausschließen? In Hospicing Modernity finden sich kreative Übungen und „thought experiments“. Andreotti lädt nicht nur zum Lesen, sondern zum Praktizieren ein: In kleinen Übungen, Ritualen und Reflexionsfragen. Die Autorin lädt zum Beispiel dazu ein, in Praxisgruppen Methoden zu nutzen: Journaling, imaginale Übungen, Naturbeobachtungen, kleine Rituale des Loslassens und des Mitfühlens, um zu spüren, wie moderne Denk- und Handlungsmuster uns prägen und wie wir sie dekonstruieren können.

Vanessa Machado de Oliveira ist Bildungswissenschaftlerin an der University of British Columbia und Mitinitiatorin des internationalen Kollektivs Gesturing Towards Decolonial Futures. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Pädagogik, Kunst, Philosophie und aktivistischer Praxis. Ihre Bücher, Workshops und Dialogräume schaffen Gelegenheiten, mit Ungewissheit und Verlust zu lernen – immer aus einer tiefen Verwobenheit mit Gemeinschaften heraus. Hospicing Modernity: Facing Humanity’s Wrongs and the Implications for Social Activism erschien 2021/2022.

Ungewissheit als Lernraum

Das Buch ist für Menschen, die Verantwortung jenseits schneller „Impact“-Rhetorik suchen. Dieses Buch fordert dazu auf, Kapazitäten für Verlust, Ungewissheit und kollektive Heilung aufzubauen; Voraussetzungen, um internationale Zusammenarbeit mehr dialogisch zu gestalten. Es richtet sich an Teams, die ihre Praxis kritisch reflektieren und Verantwortung praktizieren möchten, die lernen wollen, mit Komplexität umzugehen, besonders in Kontexten, in denen Veränderung nicht planbar ist.
 

Zurück zur Übersicht