May Ayim, Katharina Oguntoye & Dagmar Schultz (Hrsg.)
Farbe bekennen: Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte
Als eine Person, die erst im Erwachsenenalter migriert ist, begann meine rassismuskritische Reise in einer Migrationsgesellschaft relativ spät – mit 29 Jahren. Wie viele andere hätte ich mir gewünscht, diese Reise früher anzutreten. Im Zuge dieser Auseinandersetzung stieß ich durch die Stimme der Autorin Natasha A. Kelly auf die Werke von May Ayim, insbesondere auf “Farbe bekennen”; ein Buch, das für viele als „Anfang“ der öffentlichen Diskussion über Rassismus in Deutschland gilt.
Heute spaziere ich manchmal entlang des May-Ayim-Ufers in Berlin und empfinde tiefe Dankbarkeit für die Arbeit, die Schwarze Frauen geleistet haben. Dankbarkeit dafür, dass sie Worte für kollektive Erfahrungen gefunden und Selbstbezeichnungen geprägt haben, die bis heute empowern und verbinden
Ein Anfang und Meilenstein der deutschen rassismuskritischen Literatur

“Farbe bekennen” ist eine Sammlung von Essays, Interviews und autobiografischen Texten, die die Erfahrungen afrodeutscher Frauen beleuchten. Das 1986 erstmals veröffentlichte Werk gilt als Meilenstein der Schwarzen deutschen Bewegung. Es thematisiert Rassismus, Identität und die Suche nach Zugehörigkeit in einer Gesellschaft, die Schwarze Deutsche systematisch marginalisiert.
Katharina Oguntoye beschreibt die Bedeutung des Buches treffend: „Farbe bekennen war ein Anfang und ist nach wie vor ein aktuelles Handbuch zum Verständnis afro-deutscher Lebensrealitäten sowie ein nützliches Werkzeug zur Vernetzung und Aufklärung.“
Die Texte verbinden persönliche Erfahrungen mit politischen Analysen und schaffen einen selbstermächtigenden Raum, in dem Schwarze Frauen ihre Perspektiven sichtbar machen. Besonders prägend ist die Einführung des Begriffs Afrodeutsch als Selbstbezeichnung, die bis heute im rassismuskritischen Diskurs eine zentrale Rolle spielt.
Von Lorde zu Ayim und Oguntoye: Schwestern im Widerstand

May Ayim (1960–1996) war eine afrodeutsche Dichterin, Pädagogin und Aktivistin, die sich intensiv mit Themen wie Rassismus und Identität auseinandersetzte. Katharina Oguntoye, geboren 1959, ist eine afrodeutsche Historikerin, Autorin, Aktivistin und Gründerin von Joliba e.V.. Dagmar Schultz, geboren 1941, ist eine deutsche Soziologin, Verlegerin und Filmemacherin.
Die amerikanische Dichterin und Aktivistin Audre Lorde spielte eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von “Farbe bekennen”. Während ihres Aufenthalts in Berlin in den 1980er Jahren war sie eine Inspiration für ihre damaligen Studentinnen May Ayim und Katharina Oguntoye. So war es Lorde, die den Begriff Afrodeutsch prägte. Für “Farbe bekennen” schrieb sie das Vorwort, in dem sie die historische und politische Bedeutung des Werks für das deutsche Bewusstsein hervorhebt.
Ein deutscher Klassiker für alle
Dieses Buch ist essenziell für alle, die sich mit Rassismus, Identität und der Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland auseinandersetzen möchten. Es bietet wertvolle Perspektiven für Leser*innen, die ein tieferes Verständnis für die Erfahrungen afro-deutscher Frauen suchen und die intersektionalen Aspekte von Diskriminierung und Empowerment erkunden wollen.
Die Textsammlung ist weit mehr als eine historische Dokumentation – sie ist ein kraftvoller, poetischer und selbstermächtigender Raum. Sie fordert dazu auf, „Farbe zu bekennen“, bestehende Machtverhältnisse zu hinterfragen und rassismuskritische Perspektiven aktiv zu vertreten.
“Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte”, herausgegeben von Katharina Oguntoye, May Opitz und Dagmar Schultz. Orlanda Frauenverlag, Berlin 1986.
Lizenzhinweise:
Schultz, Dagmar (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Audre_Lorde_und_May_Ayim.jpg), „Audre Lorde und May Ayim“, creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode