Wie werden wir lernen?
Als „Digital Ambassador“ der GIZ in Namibia
„Digital Ambassadors“ sind Fachkräfte im Entwicklungsdienst, die im Rahmen der „Digital Ambassador Initiative“ der GIZ weltweit in Vorhaben der GIZ tätig sind. Als fachliches Peer-Netzwerk stehen sie untereinander in direktem Lern- und Beratungsaustausch, und gestalten den entwicklungspolitischen Dialog innerhalb der GIZ zu inklusiver digitaler Transformation mit. Die Fachkräfte selbst bringen unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten mit, die für Digitalisierung von Relevanz sind – von Datenanalyse oder dem Einsatz Künstlicher Intelligenz bis zur Entwicklung von Digitalisierungsstrategien oder der Unterstützung digitaler Bildungs- oder Start-up Systeme. Wichtig sind Professionalität sowie Sensibilität für die Herausforderungen digitalen Wandels im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext. Damit fördern Digital Ambassador-Einsätze die Kompetenzen von Partnerorganisationen und deren Zielgruppen, die digitale Transformation aktiv mitzugestalten.
Georgina Kozmon arbeitet als Digital Ambassador für die GIZ in Windhoek, Namibia. Sie berät Berufsschulen im Einsatz digitaler Tools und E-Learning-Formate und unterstützt nationale Behörden, Digitalisierung im Bildungsbereich systemisch zu verankern. Im ersten Teil des Interviews spricht sie über ihren Weg als Digital Ambassador, bisherige Herausforderungen und darüber wie Digitalisierung Bildung demokratisieren kann.
Wie bist du dazu gekommen, als Digital Ambassador in Namibia zu arbeiten?
Ich begleite gerne Veränderungsprozesse und sehe Digitalisierung als eine große Chance im Bildungsbereich. Nach meinem Studium der Kulturwirtschaft habe ich für das „Teach First“ Programm an einer Schule in Hamburg gearbeitet und mich dort für Bildungschancen eingesetzt. 2020 bewarb ich mich bei der GIZ als Fachkraft für Digitalisierung, Education Technology und E-Learning an Berufsschulen in Namibia. Jetzt arbeite ich bei der Behörde für Berufsbildung in der Hauptstadt Windhoek, die die Berufsschulen im gesamten Land administriert und Digitalisierung in diesem Sektor vorantreiben möchte.
In welchem Kontext arbeitest du und was sind deine konkreten Aufgaben?
In den ersten anderthalb Jahren als Digital Ambassador habe ich mit Berufsschulen im Norden des Landes gearbeitet und Lehrkräfte dabei unterstützt, digitale Tools und E-Learning-Formate sinnvoll einzusetzen. Seit mehr als drei Jahren arbeite ich nun auf politischer Ebene, die Themen Digitalisierung, Bildungstechnologie und E-Learning strategisch voranzutreiben. Das bedeutet: Wir entwickeln Richtlinien und Pläne zur Umsetzung dieser Themen und schulen Berufsschulen auf nationaler Ebene.
Hier machen wir vor allem Capacity Building, das heißt, wir bestärken Lehrkräfte und die Berufsschule insgesamt zu Fragen rund um Digitalisierung in ihrer Arbeit: Welche Veränderungen braucht es auf Organisationsebene, um E-Learning zu fördern? Wie fördert E-Learning das Lernen überhaupt? Wie kann man Lehrpläne digitalisieren, wie erstelle ich entsprechende Kurse? Langfristig geht es um eine Veränderung der Einstellung zum Lehren und Lernen: Weg von frontalem Unterricht hin zu eigenständigem Lernen. Ziel ist also auch, die Autonomie und Selbstmotivation der Schüler*innen zu stärken.
Welche Ausgangssituation hast du hinsichtlich der Digitalisierung zu Beginn deiner Tätigkeit an deinem Arbeitsort vorgefunden?
Ich bin in ein bereits laufendes Projekt eingestiegen: Es gab bereits eine eLearning-Plattform, die auf dem Open Source Lernmanagement-System Moodle basiert und vorab mit den Berufsschulen getestet wurde. Hier habe ich mit dem Fokus auf Change Management angeknüpft, weil es nicht damit getan ist, Lehrkräfte in E-Learning-Kursen zu schulen. Digitalisierung in Berufsschulen ist ein systemischer Wandel. Er muss in der Institution verankert sein als gemeinsame Vision mit der Frage: Wie wollen wir künftig lernen und lehren? Die Pandemie – die zu Beginn meiner Arbeit noch präsent war – hat diesen Prozess mit ihren Ausnahmeregelungen teilweise beschleunigt und neue Freiheiten ermöglicht, die vorher undenkbar waren. Nun geht es darum, die Wissensressourcen auch anderer Länder für Lernende zugänglich zu machen. Das ist eine gewaltige Demokratisierung von Bildung.
Welche Erfahrungen hast du mitgebracht und was musstest du noch lernen?
Hilfreich war sicherlich, dass ich vor meiner Tätigkeit bei der GIZ schon in diversen anderen Ländern gelebt hatte und mich auch in Namibia schnell heimisch gefühlt habe.
Mein Hintergrund ist Change Management, Moderation von Organisationsprozessen und Workshop-Entwicklung. Ich liebe es, Räume fürs Lernen und für Veränderung zu schaffen. Diese Kompetenzen konnte ich gut einbringen.
Neu war das ganze technische Know-How, wie das Lernmanagement-System Moodle, das weltweit und vor allem auf dem afrikanischen Kontinent sehr verbreitet ist. Außerdem habe ich gelernt, Didaktik, Lerninhalte und digitale Tools im Klassenraum anzupassen an den jeweiligen Kontext. E-Learning für angehende Klempner*innen sieht anders als für Versicherungsfachleute.
Welchen Herausforderungen begegnest du bei deinen Aufgaben?
Der Berufsbildungssektor in Namibia ist sehr heterogen. Manche Berufsschulen hatten bereits Strukturen für E-Learning, mit denen wir gut arbeiten konnten, andere aber nicht. Von staatlicher Seite fehlt oft ein klares Narrativ zu diesem Veränderungsprozess, was für Verwirrung sorgte: Ist E-Learning verpflichtend oder optional, gibt es Vorgaben? Herausfordernd ist auch, dass die enormen digitalen Möglichkeiten und der Tatendrang vieler Lehrkräfte, den Bildungsbereich digitaler aufzustellen, auf die langsamen Entscheidungswege einer Behörde treffen. Das kann Prozesse oft verlangsamen, da sie auf staatlicher Ebene abgestimmt werden müssen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Meine Tage sind im Grunde sehr abwechslungsreich. Entweder arbeite ich in Windhoek in der Behörde und nehme an vielen Meetings mit verschiedenen Teams teil, oder ich bin im Land unterwegs und gebe an den Berufsschulen Fortbildungen zum Thema E-Learning, seit anderthalb Jahren mit einer Kollegin. Phasenweise bin ich mehrere Wochen am Stück unterwegs, mit kurzen Unterbrechungen in der Hauptstadt. Die Fahrten sind lang, aber die Landschaft ist so beeindruckend, dass es nie langweilig wird.
Im zweiten Teil des Interviews spricht Georgina über bisherige Erfolge, weitere Handlungsbedarfe und Learnings, die sie aus ihrem Projekt ziehen konnte.